März 15, 2009

Überraschend: Die Presse am Sonntag schlägt den Standard

Heute habe ich der "Presse" den Sonntag gerettet. Ich habe zwei Euro in die Box der Verkaufstasche geschmissen - erst dann das etwas angenässte Papierpaket an mich genommen. In meiner Verkaufstasche war es das letzte Exemplar der neuen Sonntagspresse, mein "Zweier" war jedoch nach Schütteltest die erste Münze im Beutel. Österreich lässt sich also die Rettung schenken.

Presse am Sonntag ist schwer, aber dennoch ein Leichtgewicht Zum wichtigeren: Ich habe "Die Presse am Sonntag" neben meinen "Standard" am Samstag gelegt. Der Vergleich macht sicher: Schön ist an der neuen Presse, dass sie so ganz anders ist.

1.) Sie ist schwer, schwerer als "Der Standard". Was nicht zuletzt daran liegt, dass sie voll von dem ist, was wir in Zeitungen gar nicht mehr finden: Anzeigen. Wobei die schönsten Anzeigen von Diners und Orange kommen, die mit CR Michael Fleischhacker ein kokettes Wechselpassspiel betreiben. (Fleischhacker vergangene Woche im Leitartikel: "Die Hypothese, dass Zeitungen, die in der Finanzierung ihrer journalistischen Ressourcen überwiegend auf Anzeigenerlöse angewiesen sind, ihre Berichterstattung zunehmend an den Interessen dieser Financiers ausrichten, ist nicht vollkommen aus der Welt." Orange im heutigen Inserat. "Ich bin der Fleischhacker, der Nowak und der Ultsch, für die wie immer meine inneren Werte zählen.")

2.) Das Layout ist das beste, das ich an einer heimischen Tageszeitung je gesehen habe und es ist auch international vorne dabei.

3.) Die Presse am Sonntag trennt sich erbaulich von der klassischen Zeitung - und auch von dem, was wir in Österreich als Sonntagszeitung (Kurier, Krone) kennen. Und sie macht Christian Rainers "Profil", das ja mit seiner Redaktion im gleichen Gebäude sitzt, nun inhaltlich ernsthaft Konkurrenz.

Beispiele: Ausführliche Reportagen, etwa über die Ausweglosigkeit der Budapester Jugend (Budapester Blues), den Goldrausch in Ghana, die Fuggers und die Verlierer der Krise in den USA.

Nicht immer, muss alles schmecken Womit ich nicht ganz zurecht komme sind der Sportteil sowie das Ressort "Leben": Die kommen dann inhaltlich doch sehr anstrengend vor, mein Leben und meine Neugier auf das Leben anderer sieht anders aus. Und auch die Ressortaufmacher sowie der Blattaufmacher sind weniger ansprechend als das, was danach kommt. Warum ist Fleischhackers Leitartikel: "Irgendetwas stimmt da nicht" über das Böse im Täter Blattaufmacher? Ein völliger Bruch mit den Wochentagen der Presse, aber ein Ersatz, der nicht ganz schlüssig ist. Weil Meinung gut und schön ist, aber Meinung in der Zeitung ist nicht das wichtigste, ist auch nicht so erotisch wie ein Internet-Blog, weil viel mühsamer. Und Fleischhacker schreibt schon sehr gut, aber eben auch nicht so gut, dass wir damit die Zeitung aufmachen.

Alte Zöpfe Und das Abschlussinterview der Presse am Sonntag ist ebenso verzopft wie das Eingangsinterview: Vorne Werner Faymann, haha, mal anders gefragt, und hinten Hugo Portisch. Das ist dann eben doch wieder die staatstragende Presse, die es fast geschafft hätte, sich selbst den alten Zopf abzuschneiden - ihn aber dann doch dran ließ und sich statt dessen ein Flinserl ins Ohr schießen ließ.

Fazit: Die Presse hat eine großartige Sonntags-Presse gemacht, die auch den Herausgeber Horst Pirker stolz machen wird. Vom Layout über die Themenwahl bis zu Umfang, Struktur und Aufbau ist diese Zeitung spannend und drängt den Samstags-Standard nun auf Platz 2 der besten heimischen Zeitungen. Der Kurier, der zuletzt so viele bemühte, aber wenig innovative Produkte (Geldbeilage,...) brachte, darf sich aufgefordert fühlen, noch einmal über alles genau nachzudenken. Geht die Reise Richtung "Österreich" und ist die Sonntags-Presse ein Ansporn, sich nach der Decke zu strecken.

Ha, fast hätte ich das vergessen! Ist diese Sonntags-Presse nicht fast ein wenig zu clever, zu dick, zu tief für den Erfolg an Österreichs Sonntags-Verkaufstaschen? Nun: Erstens werden - so wie heute - auch in Zukunft die meisten sich den Sonntag einfach nehmen - ohne lange in der Börse nach der großen Münze zu kramen. Zweitens wird der Presse jede Menge einfallen, um die Auflage zu erhöhen. Ich prognostiziere, dass spätestens im Herbst alle Presse-Abonnenten die Sonntags-Presse gratis dazu bekommen. Nur so ist das Gesamt-Produkt auch rechenbar: Denn so viele Inserenten wie heute, die sonst nie Anzeigen schalten, werden in Zukunft nicht bei dem Wagnis dabei sein. So wie bei Kurier und Krone zählt mehr, wie hoch die vertriebene Auflage ist - und der Copy-Preis von zwei Euro - sowie der Abopreis von insgesamt 361,80 (Mo-So) wird sich nicht durchsetzen. Ich bin gespannt auf den nächsten Sonntag, weil diese Vorlage extrem hoch war. Gratulation dem Team!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen