Medienwandel- Zitate aus der Zauberkiste |
Die Medientage Wien sind vorüber. Es wurde mehr über Online als über Zeitungen, Radio und Fernsehen gesprochen. Das mag ein Zeichen dafür sein, dass ein Wandel in den Köpfen angekommen ist.
Wie groß die Unsicherheit noch ist, zeigt sich daran, dass Journalisten, die in ihrem Leben noch kein Online-Content-Management-System bedient haben, heute über den Siegeszug der Blogger schreiben. So als gäbe es nicht schon zehn Jahre Blogger im Internet.
Wir haben es also mit einer Hausfrauen-Hausse zu tun. Und scheinbar darf in solchen Zeiten jeder noch so unbedarfte Laie schlaue Worte von sich geben - und den Niedergang der Medien, des Journalismus herbeizitieren. "Bestseller" und das Magazin "trend" haben eine "Medien Spezial" Ausgabe herausgegeben, in dem Blogger von der schönen neuen Online-Welt berichten - und sie munter klassische Medien beschimpfen.
Die dümmsten Zitate zum Thema Kulturwandel
Da sagt etwa die sympathische Meral "Digitalks" Akin-Hecke so weise Worte wie: "Manche verbingen mehr Zeit mit dem Web 2.0, manche weniger. Jede Person beschließt selbst, auf welchen Kanälen sie Informationen austauschen will." Revolutionen sehen anders aus, wertvolle Beratungsansätze auch.
Oder Luca Hammer, der sich Autor nennt, deutet: "Mir ist die Linearität der Medien suspekt, da ich vom Internet gewohnt bin, Dinge dann zu konsumieren, wann ich es möchte, und nicht, wenn es ein Programmplan vorschreibt." So tiefsinnig das auch klingen mag, seit der Erfindung des Buchdrucks gab es diese Form der "Linearität" nie - und damit gibt es diesbezüglich auch keine Revolution.
Noch absurder wird es allerdings, wenn davon die Rede ist, dass sich die Machtverhältnisse zwischen Unternehmen und Konsumenten verschieben würden. Firmen und Einzelpersonen würden auf einmal "auf einer Ebene miteinander kommunizieren", schreibt trend.
Nun, einzig mögliche Interpretation: es kommunizieren Menschen mit Menschen. Aber welche Hierarchien werden dabei verschoben? Weil ein PR-Mitarbeiter von Danone nun die Facebook-Fanpage betreut und sich 5000 Menschen potenziell davon berieseln lassen sollen Hierarchien umgekippt worden sein? Ist das Joghurt nun sauberer, gentechnikfreier, ist die Kommunikation ehrlicher und weniger von Marketing getrieben, weil Danone eine Facebook-Page hat? Natürlich nicht.
Und wenn Swarovski 500.000 Facebook Fans hat, dann wird das Unternehmen auch weiterhin nicht mit einer halben Million Menschen auf Augenhöhe reden und darüber diskutieren, ob die Steine in Zukunft in Indien poliert werden sollen.
Selbsttäuschung der Couch Potatoes
Luca Hammer sagt so ehrlich, dass er "manchmal einen Gedanken, oder ein Erlebnis" hat, das "ich nicht für mich behalten möchte." Dann postet er diesen auf Twitter. Und er erwartet sich Feedback. Bekommt er ein paar Antworten, dann fühlt er sich als Autor und Blogger bestätigt.
Ich bestreite nicht, dass sich unser Medienverhalten ändert, im Gegenteil, es ändert sich rasant. Das Dramatische daran ist jedoch unser kollektives Missverstehen dieses Wandels. Wir sind inpuncto Kommunikation nicht, wie viele Blogger meinen, aktiver geworden, sondern passiver. Denn wir erwarten uns mittlerweile, dass Nachrichten an uns herangetragen werden. Wir verwechseln das Drücken des "Gefällt mir" Buttons mit Partizipation, unser gelangweiltes mehrmaliges Aufrufen von Social Media Apps verwechseln wir mit einer Neugier an der Welt, unsere gelebte Passivität interpretieren wie als aktive Verweigerung.
Social Media bringt Anliegen von Minderheiten sowie die Probleme und Missstände der Gesellschaft nicht nach oben, sondern verdeckt sie. Wenn Probleme keine "Retweet"-Eigenschaften haben, dann fallen sie auch niemanden auf. Das ist aber das charakteristische an journalistischer Neugier, genau dort weiterzuwühlen, solange bis das Thema massentauglich wird. Und die Web 2.0-Welt? Das Interesse an der persönlichen Umgebung wächst, das Interesse an den weiter weg liegenden Themen sinkt. Facebook behindert damit die Solidarisierung anstatt sie zu fördern.
Die Übertreibungs-Blase Web 2.0 ist kurz vor dem Platzen. So wie es keine New Economy im Jahr 2000 und den Jahren danach gab, so gibt es kein Web 2.0, das die Kommunikation revolutioniert.
Es gibt massive Veränderungen im Medienkonsum, doch es wäre fatal, würden Medienmacher Social Media Beratern vertrauen, die das als Siegeszug der Laien-Kommunikatoren interpretieren. Die Herausforderung an Medienmacher lautet: Bekämpfe die Passivität und Langeweile und verschärfe daher die Relevanz deiner Medien. Aber vertraue nicht auf den "Like me" Button.