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Februar 16, 2010

Warum Steueramnestien uns allen schaden

In Erwartung der nächsten ­Amnestie entzieht sich das geübte ­Steuerschaf schnell den hütenden Schäfern. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble ist eine Dampfwalze, wenn es um die Schließung von Lücken im Steuersystem geht. Niedergewalzt werden alle, die sich seinem Ansinnen in den Weg stellen, Steuergerechtigkeit herzustellen. Da kommen schon mal ganze Länder wie die Schweiz, Liechtenstein oder Österreich unter die Räder. Auf dem Spiel steht viel, denn es geht nicht nur um paar hundert Steuersünder, deren Daten sich Deutschland von Bankmitarbeitern ­gegen Millionenhonorare ankauft, sondern um das Solidaritätsprinzip, das mit der Abfuhr von Steuern zwangsläufig verbunden ist. Das Problem ist: Werden ­große Steuersünder ohne Strafe laufen gelassen, sinkt die Steuermoral bis in die kleinste Küche der Republik. Kommen die einen davon, werden die anderen ihre Putz- und Bauhelfer nicht anmelden. Trittbrettfahren wird dann sozial geduldet. Der Vorschlag von Hans-Ulrich Doerig, dem Verwaltungsratspräsidenten der Credit Suisse, das rechtsstaatliche Dilemma, das dem Ankauf illegal erworbener Daten durch offzielle Organe der Republik, zwangsläufig innewohnt, durch eine Steueramnestie zu lösen, könnte also kurzfristig tolle Erfolge zeigen, sich später aber als Eigentor entpuppen. Doerig argumentiert, dass Deutschland durch die Amnestie tausende Steuerflüchtlinge zu Reuezahlungen animieren und ­somit sein Staatsdefizit von 110 Milliarden € minimieren könne. Ja, das geht, Silvio Berlusconi gibt seinen schwarzen Steuerschafen regelmäßig die Gelegenheit, die im benachbarten Lugano gebunkerten Gelder in Italien anzumelden. Immer wieder ist das ein großer Budgeterfolg. Und dann? In der Erwartung der nächsten ­Amnestie, in der berechtigten Einschätzung, dass es sich somit also mehr um ein Kavaliersdelikt als um eine Straftat handle, entzieht sich das geübte ­Steuer- ­schaf schnell wieder hütenden Schäfern. Schäuble macht diesen Unfug nicht mit, sondern geht den juristisch umstrittenen Weg, mit gestohlenen Daten Fairness im Steuersystem herzustellen. Österreich dagegen kehrt, wie in der Vergangenheit, still und heimlich den Schmutz unter den Teppich. Statt klar zu statuieren, dass alles unternommen – und auch gezahlt – werde, um Flüchtige einzufangen, warten wir ab, ob wir überhaupt etwas tun müssen. Deutschland müsse ja ohnehin die Daten laut EU-Amtshilferichtlinie, Artikel vier, an uns weitergeben. Fein, das erspart uns das Schäuble-Dilemma. Moralisch und ökonomisch betrachtet, ist die Botschaft katastrophal: Wir fahren Trittbrett – und genau das wollen wir ja eigentlich im Steuersystem verhindern.

November 08, 2009

Der Chirurg für den Arbeitsmarkt wird gesucht

Wir haben Phase II der Eskalation erreicht. Bisher kümmerten sich weltweit nur Notfall-Teams um die Rettung der Konjunktur, jetzt sind allerdings Rehab-Spezialisten gefragt. In den sozial besser abgesicherten Industriestaaten Westeuropas stehen wir vor der Frage, ob wir uns dabei Chirurgen, Schmerztherapeuten oder Alternativmedizinern anvertrauen sollen.

Die deutschen Bürger haben sich vor kurzem für eine chirurgische Operation entschieden und Schwarz-Gelb zur Regierungsfarbe gemacht. Die neue Koalition soll Steuern senken, um der Wirtschaft Luft zum Atmen zu verschaffen und um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Doch es kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass der Schritt keineswegs so groß wie erhofft sein wird. Und dass es teils heftige Widerstände in den eigenen Reihen, sowohl bei CDU/CSU als auch bei FDP und Industrievertretern gibt. Denn auch dort gibt es Menschen, die sich Sorgen um die Zukunft, also zumindest die nächste Wahl, machen, die mit einem erneut aus dem Ruder laufenden Budget kaum zu gewinnen sein wird.

Auch Österreich ist von einer galoppierenden Arbeitslosigkeit betroffen. In industrialisierten Bundesländern, wie etwa Nieder österreich, ist sie bei Männern sogar um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Natürlich klafft zwischen der Innensicht der politisch Verantwortlichen und deren Kritikern ein Wahrnehmungs gefälle. Während Sozialminister Rudolf Hundstorfer von den Abschwung „bremsenden Effekten“ wie Kurzarbeit spricht, weist die Opposition berechtigterweise auf die fehlende Zukunfts vision hin. Jeder Betrieb, der durch die Kurzarbeit dazu bewegt werden konnte, nicht zuzusperren, abzuwandern oder Leute hinauszuwerfen, ist den Rettungsteams von Bund und Ländern als Erfolg zuzurechnen. Alleine: Es reicht nicht.

Im Augenblick sieht es danach aus, als würden wir uns dem chirurgischen Eingriff, der unsere Schmerzen heilen könnte, entziehen wollen und statt dessen auf die Schmerztherapie verlassen. Wir erleben, dass die Mittel für Arbeitsmarktförderungen, Schulungen und Frühpensionen deutlich erhöht werden. Die Bevölkerung, die Arbeit hat, leistet für den sozialen Frieden so einen immer größeren Beitrag. Bei einer Operation würden dagegen soziale Transfers deutlich gekürzt werden, um die Lohnnebenkosten senken zu können.

Persönlich halte ich jedoch die Alternativmedizin für die überlegenere: Über die kommenden Jahre könnten wir die steuerliche Belastungen für Energie kontinuierlich erhöhen – und im Gegenzug den Faktor Arbeit gleitend entlasten.